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1998-03-14
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499 lines
Die Klagelieder.
\1\
Jerusalems Klage über sein Elend, Bekenntnis der Schuld und
Bitte um Hilfe und Vergeltung an den Feinden.
$1$ Wehe, wie sitzt so einsam da die [einst] volkreiche Stadt!
Sie ist einer Witwe gleich geworden, die Groβe unter den
Nationen! Die Fürstin über die Provinzen ist zur Zwangsarbeit
erniedrigt!
$2$ Sie weint und weint des Nachts, und ihre Tränen [laufen]
über ihre Wangen. Sie hat keinen Tröster unter allen, die sie
liebten; alle ihre Freunde haben treulos an ihr gehandelt, sind
ihr zu Feinden geworden.
$3$ Gefangen ist Juda weggezogen aus Elend und aus schwerem
Sklavendienst. Es wohnt unter den Nationen, findet keinen
Rastplatz. Alle seine Verfolger haben es erreicht - mitten in
der Bedrängnis.
$4$ Die Wege nach Zion trauern, weil niemand zum Fest kommt.
All ihre Tore sind menschenleer, ihre Priester seufzen, ihre
Jungfrauen sind betrübt, und ihr selbst ist bitter weh.
$5$ Ihre Gegner sind obenauf, ihre Feinde haben Ruhe. Denn der
HERR hat sie betrübt wegen der Menge ihrer Verbrechen. Ihre
Kinder sind vor dem Gegner her in Gefangenschaft gezogen.
$6$ So zog aus der Tochter Zion all ihre Pracht aus. Ihre
Obersten sind wie Hirsche geworden, die keine Weide finden, und
kraftlos zogen sie dahin vor dem Verfolger.
$7$ Jerusalem denkt in den Tagen ihres Elends und ihrer
Heimatlosigkeit an all ihre Kostbarkeiten, die es [bei ihr] gab
seit den Tagen der Vorzeit, [jetzt,] da ihr Volk durch die Hand
des Gegners gefallen ist und sie keinen Helfer hat. Die Gegner
sehen ihr zu, lachen darüber, daβ es mit ihr aus ist.
$8$ Schwer gesündigt hat Jerusalem. Darum ist sie zum Gespött
geworden; alle ihre Verehrer verachten sie, weil sie ihre Blöβe
gesehen haben. Sie selbst aber seufzt und wendet sich ab.
$9$ Ihre Unreinheit [klebt] an ihrem Saum; ihr Ende hat sie
nicht bedacht. So ist sie entsetzlich heruntergekommen, ohne daβ
einer sie tröstet. Sieh an, HERR, mein Elend, denn der Feind tut
sich groβ!
$10$ Seine Hand hat der Gegner ausgestreckt nach all ihren
Kostbarkeiten. Ja, sie muβte mitansehen, wie Nationen in ihr
Heiligtum kamen, denen du geboten hattest, sie sollten dir nicht
in die Versammlung kommen!
$11$ All ihr Volk seufzt auf der Suche nach Brot; sie geben
ihre Kostbarkeiten für Nahrung hin, um sich am Leben zu halten.
Siehe, HERR, und schau, wie verachtet ich bin!
$12$ Ist es [noch] nicht zu euch [gedrungen], alle, die ihr
des Weges zieht? Schaut und seht, ob es einen Schmerz gibt wie
meinen Schmerz, der mir angetan worden ist, mit dem [mich] der
HERR betrübt hat am Tag seiner Zornglut!
$13$ Aus der Höhe sandte er Feuer in meine Gebeine und zertrat
sie. Er spannte ein Netz für meine Füβe, zwang mich zur Umkehr.
Er machte mich einsam und allezeit krank.
$14$ Schwer ist das Joch meiner Verbrechen, durch seine Hand
zusammengeflochten. Sie kamen auf meinen Hals; [das] brach mir
die Kraft. Der Herr lieferte mich solchen in die Hände, denen
ich nicht standhalten kann.
$15$ Alle meine Starken verwarf der Herr in meiner Mitte; er
rief gegen mich ein Treffen aus, um meine jungen Männer zu
zerschmettern; der Herr hat der Jungfrau, der Tochter Juda, die
Kelter getreten.
$16$ Darüber muβ ich weinen, mein Auge, mein Auge zerflieβt
von Wasser. Denn ein Tröster, der meine Seele erquicken könnte,
ist fern von mir. Meine Söhne sind vereinsamt, denn der Feind
hat die Oberhand.
$17$ Zion breitet ihre Hände aus, [doch] da ist niemand, der
sie tröstet. Der HERR entbot gegen Jakob seine Nachbarn als
seine Feinde. Jerusalem wurde unter ihnen zum Abscheu.
$18$ Gerecht ist er, der HERR, denn gegen seinen Befehl bin
ich widerspenstig gewesen. Hört doch, alle ihr Völker, und seht
meinen Schmerz! Meine Jungfrauen und meine jungen Männer sind in
die Gefangenschaft gezogen.
$19$ Ich rief nach denen, die mich geliebt hatten, sie aber
betrogen mich. Meine Priester und meine Ältesten kamen in der
Stadt um, als sie für sich Nahrung suchten, um sich am Leben zu
halten.
$20$ Sieh, HERR, wie mir angst ist! Mein Inneres glüht, mein
Herz dreht sich mir im Leibe um, weil ich so sehr widerspenstig
gewesen bin. Drauβen hat mich das Schwert der Kinder beraubt
[und] drinnen der Tod.
$21$ Man hört, wie ich seufze, [doch] habe ich keinen Tröster.
Alle meine Feinde haben mein Unglück gehört, haben sich gefreut,
daβ du es getan hast. Führst du den Tag herbei, den du
verkündigt hast, dann ergeht es ihnen wie mir.
$22$ All ihre Bosheit komme vor dich! Handle an ihnen, wie du
an mir gehandelt hast wegen all meiner Verbrechen! Denn
zahlreich sind meine Seufzer, und mein Herz ist krank.
\2\
Unheil im Land und in Jerusalem durch Gottes Zorn gemäβ seiner
Warnung - Zions Schreien nach Gottes Erbarmen.
$1$ Wehe, wie umwölkt in seinem Zorn der Herr die Tochter
Zion! Er hat die Herrlichkeit Israels vom Himmel zur Erde
geworfen und am Tag seines Zorns nicht gedacht an den Schemel
seiner Füβe.
$2$ Vernichtet hat der Herr - ohne Mitleid - alle Weideplätze
Jakobs; er hat in seinem Grimm niedergerissen die befestigten
Städte der Tochter Juda; zu Boden gestürzt, entweiht hat er das
Königreich und seine Obersten.
$3$ In Zornesglut hat er abgehauen jedes Horn Israels; er hat
seine Rechte zurückgezogen angesichts des Feindes und hat Jakob
in Brand gesteckt wie ein flammendes Feuer, das ringsum friβt.
$4$ Seinen Bogen hat er gespannt wie ein Feind, seine rechte
Hand erhoben wie ein Gegner und hat alles den Augen Liebliche
umgebracht. In das Zelt der Tochter Zion hat er seinen Grimm
ausgegossen wie Feuer.
$5$ Der Herr ist wie ein Feind geworden. Er hat Israel
vernichtet, vernichtet alle ihre Paläste, seine befestigten
Städte zerstört. So hat er in der Tochter Juda Weh und
Wehgeschrei gehäuft.
$6$ Und er hat seine Hütte abgebrochen wie die eines Gartens,
hat zerstört [den Ort für] seine Festversammlung. Der HERR hat
in Zion Festversammlung und Sabbat in Vergessenheit geraten
lassen und im Toben seines Zorns König und Priester verworfen.
$7$ Verstoβen hat der Herr seinen Altar, entweiht sein
Heiligtum; er hat die Mauern ihrer Paläste der Hand des Feindes
preisgegeben; Lärm erhob sich im Haus des HERRN wie an einem
Festtag.
$8$ Der HERR hatte es sich vorgenommen, die Mauer der Tochter
Zion zu zerstören; er spannte die Meβschnur, wandte seine Hand
vom Vernichten nicht ab und versetzte Bollwerk und Mauer in
Trauer; zusammen schwanden sie dahin.
$9$ Eingesunken in die Erde sind ihre Tore, zerstört und
zerschlagen hat er ihre Riegel. Ihr König und ihre Obersten sind
unter den Nationen, es gibt kein Gesetz mehr. Auch ihre
Propheten erhalten kein Gesicht von dem HERRN.
$10$ Schweigend sitzen auf der Erde die Ältesten der Tochter
Zion; sie haben Staub auf ihr Haupt geworfen, Sacktuch sich
umgegürtet; die Jungfrauen Jerusalems senken ihr Haupt zur Erde.
$11$ In Tränen vergehen meine Augen, mein Inneres glüht, meine
Leber hat sich zur Erde ergossen wegen des Zusammenbruchs der
Tochter meines Volkes, weil Kind und Säugling auf den Plätzen
der Stadt verschmachten.
$12$ Zu ihren Müttern sagen sie: `Wo ist Brot und Wein?,
während sie wie tödlich Verwundete verschmachten auf den Plätzen
der Stadt, während ihre Seele sich ergieβt in den Schoβ ihrer
Mütter.
$13$ Womit soll ich dir aufhelfen, womit dich vergleichen,
Tochter Jerusalem? Was soll ich dir gleichstellen, damit ich
dich tröste, du Jungfrau, Tochter Zion? Denn so groβ wie das
Meer ist dein Zusammenbruch. Wer kann dich heilen?
$14$ Deine Propheten schauten dir Trug und Tünche; und sie
deckten deine Schuld nicht auf, dein Geschick zu wenden, sondern
sie schauten dir Aussprüche zu Lüge und Verführung.
$15$ Alle, die des Weges ziehen, klatschen über dich in die
Hände, sie zischen und schütteln ihren Kopf über die Tochter
Jerusalem: Ist das die Stadt, von der man sagte: Der Schönheit
Vollendung, Wonne der ganzen Erde?
$16$ Alle deine Feinde reiβen ihren Mund über dich auf, sie
zischen und knirschen mit den Zähnen. Sie sagen: Wir haben
vernichtet! Ja, dies ist der Tag, den wir erhofft haben! Wir
haben [es] erreicht, wir haben [es] gesehen!
$17$ Getan hat der HERR, was er sich vorgenommen hatte, er hat
sein Wort zur Vollendung gebracht, das er von den Tagen der
Vorzeit her entboten hatte. Er hat ohne Mitleid niedergerissen
und hat den Feind über dich fröhlich sein lassen, er hat das
Horn deiner Gegner erhöht.
$18$ Schrei laut um Hilfe zum Herrn, stöhne, du Tochter Zion!
Laβ wie einen Bach die Tränen rinnen Tag und Nacht! Gönne dir
keine Ruhe! Dein Augapfel stehe nicht still!
$19$ Auf, wimmere bei Nacht, bei Beginn der Nachtwachen,
schütte wie Wasser dein Herz aus vor dem Angesicht des Herrn!
Erhebe deine Hände zu ihm um der Seele deiner Kinder willen, die
vor Hunger verschmachten an allen Straβenecken!
$20$ Sieh, HERR, und schaue, an wem du so gehandelt hast!
Dürfen Frauen ihre Leibesfrucht essen, die liebevoll gepflegten
Kinder? Dürfen im Heiligtum des Herrn Priester und Prophet
erschlagen werden?
$21$ Am Boden auf den Straβen liegen Kind und Greis; meine
Jungfrauen und meine jungen Männer sind durchs Schwert gefallen.
Erschlagen hast du am Tag deines Zornes, abgeschlachtet ohne
Mitleid.
$22$ Meine Schrecknisse hast du von allen Seiten herbeigerufen
wie zu einem Festtag, und am Tag des Zornes des HERRN gab es
keinen Entkommenen und Entronnenen: Die ich liebevoll gepflegt
und groβgezogen habe, mein Feind hat sie vertilgt.
\3\
Klage des Propheten über sein und des Volkes Elend -
Anerkenntnis der Treue Gottes - Aufruf zum Sündenbekenntnis -
Bitte um Rettung und Vergeltung an den Feinden
$1$ Ich bin der Mann, der Elend sah durch die Rute seines
Grimmes. $2$ Mich trieb er weg und lieβ mich gehen in
Finsternis und ohne Licht. $3$ Nur gegen mich wendet er immer
wieder seine Hand, jeden Tag.
$4$ Verfallen lieβ er mein Fleisch und meine Haut, zerbrach
meine Knochen, $5$ umbaute und umgab mich mit Gift und Mühsal.
$6$ Er lieβ mich wohnen in Finsternissen, wie die Toten der
Urzeit.
$7$ Er ummauerte mich, daβ ich nicht herauskann; er legte mich
in schwere, bronzene Ketten. $8$ Auch wenn ich schrie und um
Hilfe rief, verschloβ er [sein Ohr vor] meinem Gebet. $9$ Er
vermauerte meine Wege mit Quadersteinen, kehrte meine Pfade um.
$10$ Ein lauernder Bär war er mir, ein Löwe im Versteck.
$11$ Er lieβ mich vom Weg abirren, zerfleischte mich und
machte mich menschenleer. $12$ Er spannte seinen Bogen und
stellte mich hin als Ziel für den Pfeil.
$13$ Er lieβ in meine Nieren dringen die Söhne seines Köchers.
$14$ Ich wurde meinem ganzen Volk zum Gelächter, ihr Spottlied
[bin ich] jeden Tag. $15$ Er sättigte mich mit bitteren
Kräutern und tränkte mich mit Wermut.
$16$ Und er lieβ auf Kies meine Zähne beiβen, er trat mich
nieder in den Staub. $17$ Du verstieβest meine Seele aus dem
Frieden, ich habe vergessen, was Glück ist. $18$ Und ich
sagte: Verloren ist mein Glanz und meine Hoffnung auf den HERRN.
$19$ An mein Elend und meine Heimatlosigkeit zu denken,
[bedeutet] Wermut und Gift! $20$ [Und doch] denkt und denkt
meine Seele daran und ist niedergedrückt in mir. $21$ [Doch]
dies will ich mir in den Sinn zurückrufen, darauf will ich
hoffen:
$22$ Ja, die Gnadenerweise des HERRN sind nicht zu Ende, ja,
sein Erbarmen hört nicht auf, $23$ es ist jeden Morgen neu.
Groβ ist deine Treue. $24$ Mein Anteil ist der HERR, sagt
meine Seele, darum will ich auf ihn hoffen.
$25$ Gut ist der HERR zu denen, die auf ihn harren, zu der
Seele, die nach ihm fragt. $26$ Es ist gut, daβ man schweigend
hofft auf die Rettung des HERRN. $27$ Gut ist es für den Mann,
wenn er das Joch in seiner Jugend trägt.
$28$ Er sitze einsam und schweige, wenn er es ihm auferlegt.
$29$ Er lege seinen Mund in den Staub, vielleicht gibt es
Hoffnung. $30$ Er biete dem, der ihn schlägt, die Wange,
sättige sich an Schmach.
$31$ Denn nicht für ewig verstöβt der Herr, $32$ sondern
wenn er betrübt hat, erbarmt er sich nach der Fülle seiner
Gnadenerweise. $33$ Denn nicht von Herzen demütigt und betrübt
er die Menschenkinder.
$34$ Daβ man alle Gefangenen des Landes unter seinen Füβen
zertritt, $35$ daβ man das Recht eines Mannes beugt vor dem
Angesicht des Höchsten, $36$ daβ man einen Menschen irreführt
in seinem Rechtsstreit - sollte der Herr es nicht sehen?
$37$ Wer ist es, der da sprach, und es geschah, - [und] der
Herr hat es nicht geboten? $38$ Kommt nicht aus dem Mund des
Höchsten das Böse und das Gute hervor? $39$ Was beklagt sich
der Mensch, der [noch] am Leben ist, [was beklagt sich] der Mann
über seine Sündenstrafe?
$40$ Prüfen wollen wir unsere Wege und erforschen und umkehren
zu dem HERRN! $41$ Laβt uns unser Herz samt den Händen erheben
zu Gott im Himmel! $42$ Wir, wir haben die Treue gebrochen und
sind widerspenstig gewesen; du [aber], du hast nicht vergeben.
$43$ Du hast dich in Zorn gehüllt und hast uns verfolgt; du
hast uns umgebracht ohne Mitleid. $44$ Du hast dich in eine
Wolke gehüllt, so daβ kein Gebet hindurchdrang. $45$ Du hast
uns zum Kehricht und zum Ekel gemacht mitten unter den Völkern.
$46$ Alle unsere Feinde reiβen ihren Mund über uns auf. $47$
Grauen und Grube sind uns zuteil geworden, Untergang und
Zusammenbruch. $48$ Wasserbäche läβt mein Auge flieβen wegen
des Zusammenbruchs der Tochter meines Volkes.
$49$ Mein Auge ergieβt sich und kommt nicht zur Ruhe, [tränt]
unaufhörlich, $50$ bis der HERR vom Himmel herunterschaut und
hinsieht. $51$ Mein Auge schmerzt mich wegen all der Töchter
meiner Stadt.
$52$ Wie einen Vogel jagten und jagten mich [jene], die
grundlos meine Feinde sind. $53$ Sie stürzten mein Leben in
die Grube und warfen Steine auf mich. $54$ Wasser strömten
über mein Haupt. Ich sagte [mir]: Ich bin [vom Leben]
abgeschnitten!
$55$ Da rief ich deinen Namen an, o HERR, aus der Grube tief
unten. $56$ Du hast meine Stimme gehört. Verbirg dein Ohr
nicht vor meinem Seufzen, meinem Schreien! $57$ Du nahtest an
dem Tag, als ich dich anrief; du sprachst: Fürchte dich nicht!
$58$ Du hast, Herr, meinen Rechtsstreit geführt, hast mein
Leben erlöst. $59$ Du, HERR, hast meine Entrechtung gesehen.
Verhilf mir zu meinem Recht! $60$ Du hast gesehen all ihre
Rachgier, alle ihre Pläne gegen mich.
$61$ Gehört hast du ihr Schmähen, o HERR, alle ihre Pläne
gegen mich, $62$ das Gerede derer, die gegen mich aufgetreten
sind, und ihren Spott über mich den ganzen Tag. $63$ Ihr
Sitzen und ihr Aufstehen schau dir an! Ich bin ihr Spottlied.
$64$ Übe an ihnen Vergeltung, HERR, nach dem Werk ihrer Hände!
$65$ Gib ihnen Verblendung des Herzens! Dein Fluch komme über
sie! $66$ Jage ihnen nach im Zorn und rotte sie aus unter dem
Himmel des HERRN!
\4\
Das furchtbare Geschick Jerusalems durch Schuld der Propheten
und Priester - Wunsch auf Vergeltung an Edom.
$1$ Wehe, wie dunkel ist das Gold geworden, [wie] entstellt
das feine Gold! Wie liegen hingeschüttet die Steine des
Heiligtums an allen Straβenecken!
$2$ Die Söhne Zions, die kostbaren, [einst] aufgewogen mit
gediegenem Gold, wehe, wie sind sie irdenen Krügen
gleichgeachtet, dem Werk von Töpferhänden!
$3$ Selbst Schakale reichen die Brust, säugen ihre Jungen.
[Doch] die Tochter meines Volkes ist grausam geworden wie die
Strauβe in der Wüste.
$4$ Die Zunge des Säuglings klebte an seinem Gaumen vor Durst;
die Kinder verlangten Brot, niemand brach es ihnen.
$5$ Die [sonst] Leckerbissen aβen, verschmachteten auf den
Straβen; die auf Karmesin getragen wurden, muβten auf Misthaufen
liegen.
$6$ Und die Schuld der Tochter meines Volkes war gröβer als
die Sünde Sodoms, das plötzlich zerstört wurde, ohne daβ Hände
sich rührten.
$7$ Ihre Fürsten waren reiner als Schnee, weiβer als Milch;
rosiger war ihr Leib als Korallen, [wie] Saphir war ihre
Gestalt.
$8$ Dunkler als Ruβ ist [jetzt] ihr Aussehen, man erkennt sie
nicht auf den Straβen; runzlig ist ihre Haut auf ihren Knochen,
sie ist dürr geworden wie Holz.
$9$ Die vom Schwert Getöteten hatten es besser als die vom
Hunger Getöteten, [denn] die verendeten [langsam], getroffen vom
Mangel an Feldfrucht.
$10$ Die Hände weichherziger Frauen haben ihre Kinder gekocht;
sie dienten ihnen als Speise beim Zusammenbruch der Tochter
meines Volkes.
$11$ Der HERR hat seinem Grimm Genüge getan, hat seine
Zornglut ausgegossen; und er hat in Zion ein Feuer angezündet,
das [sogar] seine Grundmauern gefressen hat.
$12$ Die Könige der Erde hätten es nicht geglaubt, noch alle
Bewohner des Erdkreises, daβ Gegner und Feind in die Tore
Jerusalems eindringen würden.
$13$ Wegen der Verfehlungen ihrer Propheten, [wegen] der
Sünden ihrer Priester, die in ihrer Mitte das Blut der Gerechten
vergossen haben,
$14$ wankten sie [wie] Blinde auf den Straβen, besudelt mit
Blut, so daβ man ihre Kleider nicht anrühren durfte.
$15$ `Weicht! Unrein! rief man ihnen zu. `Weicht, weicht!
Nicht anrühren! Ja, sie muβten in die Ferne und heimatlos
umherschweifen. Man sagte unter den Nationen: Sie dürfen [bei
uns] nicht länger bleiben!
$16$ Das Angesicht des HERRN hat sie zerstreut, er schaut sie
nicht mehr an. Auf die Priester hat man keine Rücksicht
genommen, Greisen ist man nicht gnädig gewesen!
$17$ Noch vergehen unsere Augen [auf der Suche] nach Hilfe für
uns - umsonst. Auf unserer Warte warteten wir auf eine Nation,
die [doch] nicht retten kann.
$18$ Man belauerte unsere Schritte, so daβ wir auf unseren
Plätzen nicht gehen konnten. Unser Ende nahte, erfüllt waren
unsere Tage; ja, unser Ende kam.
$19$ Unsere Verfolger waren schneller als die Adler am Himmel.
Auf den Bergen hetzten sie uns, in der Wüste lauerten sie uns
auf.
$20$ Unser Lebensodem, der Gesalbte des HERRN, wurde in ihren
Gruben gefangen, [er,] von dem wir sagten: In seinem Schatten
werden wir leben unter den Nationen.
$21$ Sei fröhlich und freue dich, Tochter Edom, die du wohnst
im Land Uz! Auch an dich wird der Becher kommen; du wirst
betrunken sein und dich entblöβen.
$22$ Zu Ende ist deine Schuld, Tochter Zion! Nie mehr führt er
dich gefangen fort. Er sucht deine Schuld heim, Tochter Edom,
deckt deine Sünden auf.
\5\
Klage über die Schreckensherrschaft der Feinde und Bitte um
Gnade.
$1$ Gedenke, HERR, [all] dessen, was uns geschehen ist! Schau
her und sieh unsere Schmach!
$2$ Unser Erbteil ist Fremden zugefallen, unsere Häuser
Ausländern.
$3$ Waisen sind wir geworden, ohne Vater; unsere Mütter sind
Witwen gleich.
$4$Unser Wasser trinken wir für Geld, unser Holz bekommen wir
[nur] gegen Bezahlung.
$5$ Unsere Verfolger sitzen uns im Nacken; wir werden müde,
[aber] man läβt uns keine Ruhe.
$6$ Ägypten gaben wir die Hand [und] Assur, um genug Brot zu
essen zu haben.
$7$Unsere Väter haben gesündigt, sie sind nicht mehr. Wir aber
tragen ihre Schuld.
$8$ Sklaven herrschen über uns; da ist niemand, der [uns] aus
ihrer Hand herausreiβt.
$9$ Unter Lebensgefahr holen wir unser Brot, [bedroht] vom
Schwert der Wüste.
$10$ Unsere Haut ist geschrumpft wie von einem Ofen wegen der
Qualen des Hungers.
$11$ Frauen haben sie in Zion vergewaltigt, Jungfrauen in den
Städten Judas.
$12$ Oberste wurden von ihrer Hand aufgehängt, die Ältesten
entehrt.
$13$ Junge Männer müssen die Handmühle tragen, und Knaben
stürzen unter der Holzlast zu Boden.
$14$ Die Ältesten bleiben vom Tor fern, die jungen Männer von
ihrem Saitenspiel.
$15$ Die Freude unseres Herzens hat aufgehört, in Trauer ist
unser Reigen verwandelt.
$16$ Gefallen ist die Krone unseres Hauptes. Wehe uns, daβ wir
gesündigt haben!
$17$ Deswegen ist unser Herz krank geworden; wegen dieser
[Dinge] sind unsere Augen verdunkelt,
$18$ wegen des Berges Zion, der verödet ist; Füchse streifen
auf ihm umher.
$19$ Du [aber], HERR, bleibst in Ewigkeit, dein Thron von
Generation zu Generation.
$20$ Warum willst du uns für immer vergessen, uns verlassen
lebenslang?
$21$ Bring uns zurück, HERR, zu dir, daβ wir umkehren!
Erneuere unsere Tage [,daβ sie werden] wie früher!
$22$ Oder solltest du uns endgültig verworfen haben, allzu
zornig sein über uns?